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UNABHÄNGIG & PROFESSIONELL
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IHR EXPERTE FÜR BERUFSUNFÄHIGKEIT / KRANKHEIT / RENTE / VERSORGUNGSAUSGLEICH /BETRIEBSPRÜFUNG / BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG
​​RENTENBERATER MATTHIAS CARL
 Diplom-Verwaltungswirt (FH)
Senior bAV-Spezialist (IHK), bAV-Spezialist (IHK)
Sachverständiger für Sozialversicherungsrecht & betriebliche Altersversorgung
Aktuelle Rechtsprechung
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Wegeunfähigkeit
Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht nur dann, wenn die Leistungsfähigkeit des Betroffenen, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, unter 6 Stunden pro Tag liegt, d.h. wenn die Leistungsfähigkeit auf unter 6 Stunden pro Tag gesunken ist. Es wird bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, sondern letztlich auf jegliche verweisbaren Tätigkeiten, also alle vorstellbaren Berufe abgestellt. Hiervon sind jedoch Ausnahmen betroffen, wie das Urteil des Bundessozialgerichts im Hinblick auf die Wegeunfähigkeit zeigt:
Demzufolge besteht ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente auch dann, wenn ein grundsätzlich arbeitsfähiger Versicherter aufgrund seines Gesundheitszustandes daran gehindert ist, seinen Arbeitsplatz sicher und zuverlässig zu erreichen.
Im vorliegenden Fall führte nämlich die Wegeunfähigkeit bei teilweiser Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zum Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente. (Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.03.2006 mit dem Aktenzeichen B 5 RJ 51/04)
Auf gleiche Art und Weise hat im Hinblick auf die Wegeunfähigkeit das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 23.11.2011, Az.: L 3 R 252/08 entschieden:
Der Kläger war nicht mehr in der Lage, täglich nicht viermal Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Daher liege nach Ansicht des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt Wegeunfähigkeit vor. Bei der Beurteilung sind typisierte Wegstrecken zugrunde zu legen, nicht aber „idealisierte" Wegstrecken unter Klinikbedingungen auf einem ebenen Boden. Die Benutzung von Hilfsmitteln, beispielsweise mit Hilfe eines Rollstuhls, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Zurücklegens von Wegstrecken zu Fuß, so das LSG-Sachsen-Anhalt. Liegt Wegeunfähigkeit, wie im vorliegenden Fall, vor und benennt der Rentenversicherungsträger keinen konkreten zumutbaren Arbeitsplatz oder unterbreitet ein konkretes Angebot die Wegeunfähigkeit zu beseitigen, besteht letztlich ein Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente wegen Wegeunfähigkeit.
Betriebsprüfung: Rentenversicherung kann bei bestandskräftigen Prüfungsbescheiden weitere Beitragsforderungen nur nach deren Rücknahme geltend machen
Das LSG München in seinem Urteil vom 08.10.2013 mit dem Az.: L 5 R 554/13 entschieden hat, dass die Deutsche Rentenversicherung nicht berechtigt ist, weitere Beiträge für bereits im Rahmen der Betriebsprüfung geprüfte Zeiträume nachzufordern, ohne die bestandskräftigen früheren Bescheide zurückzunehmen. Eine Nachforderung setze eine Rücknahme des früheren Prüfungsbescheids nach § 45 SGB X voraus, so das LSG Bayern.
Zum Sachverhalt:
Im Jahr 2004 wurde eine Betriebsprüfung vom Rentenversicherungsträger bei einem Friseurgeschäft durchgeführt. Für den geprüften Zeitraum bis 31.12.2003 ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 193 Euro. Die Klägerin ließ den Bescheid bestandskräftig werden und beglich die Nachforderung. Eine spätere Betriebsprüfung im Jahr 2008 ergab für den Zeitraum vom 01.03.2001 bis 08.02.2008 eine Nachforderung in Höhe von rund 63.000 Euro. Davon entfielen rund 32.000 Euro auf den bereits in der Vergangenheit geprüften Zeitraums bis 2003. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Rechtsmittel erhoben. Das LSG München hat entschieden, dass der Rentenversicherungsträger wegen des bestandskräftigen früheren Bescheides nicht berechtigt war, ohne vorherige Rücknahme dieses Bescheides nach § 45 SGB X weitere Beiträge für den früheren Betriebsprüfungszeitraum nachzufordern.
Krankenkasse hat Amtsermittlungsgrundsatz missachtet: Umfassende Sachverhaltsaufklärung vor Beitragserhebung auf Kapitalauszahlung einer Lebensversicherung notwendig!
Hat eine Krankenkasse, hier konkret die TK, im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren im Rahmen des im Sozialversicherungsrecht gültigen Amtsermittlungsgrundsatzes nicht ordnungsgemäß ermittelt, ob die Kapitalleistung einer Lebensversicherung auf einem Vertrag zur betrieblichen Altersversorgung beruht, so ist der Beitragsbescheid bereits wegen verfahrensrechtlicher Fehler aufzuheben, so das Sozialgericht Dortmund in dem Urteil vom 22.01.2014 (Az.: S 39 KR 1585/13).
Zum Sachverhalt:
Die TK erhob Krankenversicherungsbeiträge auf eine ausgezahlte Lebensversicherung ohne zu ermitteln. Im konkreten Fall hatte die TK bei der Klägerin auf eine Kapitalauszahlung ihrer Lebensversicherung in Höhe von rund 23.000 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erhoben. Zur Begründung wurde angegeben, dass es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handele. Es fehle hier an jeglicher Ermittlung zum konkreten Einzelfall, hier zum Berufsleben der Klägerin und zur Ausgestaltung des Versicherungsvertrages. Da in § 20 SGB X ein Anspruch darauf besteht, dass ein Sozialversicherungsträger sämtliche gebotenen Ermittlungen durchzuführen habe,erscheine es als sachdienlich und erforderlich, den Beitragsbescheid aufzuheben. Die Klage der Klägerin hatte somit Erfolg.
Anspruch auf Krankengeld auch bei Krankschreibung am letzten Arbeitstag des endenden Arbeitsverhältnisses
Arbeitnehmer, die am letzten Tag ihres endenden Arbeitsverhältnisses vom Arzt krankgeschrieben werden, erhalten ab dem Folgetag Krankengeld. Dies selbst auch dann, wenn mit dem Arbeitsverhältnis die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld endet, so das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. (Urteil vom 14.07.2011) Die Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen
Zum Sachverhalt:
Da nach der gesetzlichen Regelung ein Anspruch auf Krankengeld erst Folgetag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entstehe und eine Versicherung mit Krankengeldanspruch nur während der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestehe, könne eine erst am letzten Tag der Beschäftigung festgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Krankengeldanspruch führen, so die beklagte Krankenkasse. Das LSG erachtet es für ausreichend, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt worden ist, an dem noch die Versicherung mit Krankengeldanspruch bestanden hat und sich dann der Krankengeldanspruch nahtlos an das beendete Arbeitsverhältnis anschließt.
Hinweispflicht der Krankenversicherung bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit
Darüber hinaus zu diesem Sachverhalt hat das LSG Nordrhein-Westfalen entschieden, dass die Krankenkasse die Versicherten hinweisen muss, dass bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des Zeitraums, für den der Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, die weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt festgestellt werden muss. Versäumt die Kasse diesen Hinweis und der Versicherte erst einen Tag später zum Arzt geht und deshalb kein lückenloser Krankengeldanspruch besteht, ist dies belanglos.
Einmalzahlungen für die Rentenberechnung sichern: Rentenversicherungträger muss besser über Wahlmöglichkeiten informieren
Fraglich ist, ob das kurz vor Rentenbeginn erhaltene Weihnachtsgeld noch mit in die Rentenberechnung einfließen soll oder nicht. Hier wurden Rentenantragsteller über diese Wahlmöglichkeit nicht ausreichend informiert, so das Bundessozialgericht im Urteil vom 12.12.2011 (Az.: B 13 R 29/11 R).
Sachverhalt:
Konkret hat sich der Kläger im Rahmen des Rentenantragsverfahrens bereit erklärt, dass die Rentenversicherung zur Berechnung seiner Rentenhöhe das Einkommen der letzten drei Monate seiner Erwerbstätigkeit fiktiv hochrechnet. Die tatsächlich erzielten Entgelte für diese Zeit werden bei der Rente nicht mehr berücksichtigt. Hintergrund: mit der Hochrechnung kann die Rente frühzeitig berechnet werden, so dass der Kläger beim Übergang zwischen Erwerbsleben und Ruhestand seine Altersbezüge ohne Wartezeiten sofort erhält. Doch nachträglich wurde festgestellt, dass der Kläger auf diese Weise das von seinem ehemaligen Arbeitgeber gezahlte Weihnachtsgeld nicht in seine Rentenberechnung eingeflossen ist und somit weniger Rente erhält.
Dies sei nach Ansicht des Klägers insbesondere deswegen rechtswidrig, da er über die Wahlmöglichkeit vom Rentenversicherungsträger nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Das Bundessozialgericht gab ihm recht und verpflichtete den Rentenversicherungsträger zur Neuberechnung.
Krankengeld auch bei Lücke in Krankschreibung
Krankengeld ist auch dann zu zahlen, wenn die Lücke in der Krankschreibung vom Versicherten nicht zu vertreten ist – die Krankenkassen dürfen also nicht bei jeder Lücke die Krankengeldzahlung einstellen.
Sachverhalt:
Konkret musste das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 18.9.2012 (L 11 KR 472/11) über die Klage eines ehemalig angestellten Taxifahrers entscheiden, der wegen Depressionen und Schulterschmerzen arbeitsunfähig war. Wegen dieser Beschwerden hatte er sich einer stationären psychiatrischen Behandlung unterziehen müssen. Der Kläger wurde am Ende seines Klinikaufenthalts arbeitsfähig entlassen. Einen Tag später ließ er sich von seinem Arzt krankschreiben, da er wegen der Schulterbeschwerden seinen Job als Taxifahrer nicht mehr ausüben könne. Das Beschäftigungsverhältnis des Taxifahrers wurde während der Arbeitsunfähigkeit schon beendet.
Die Krankenkasse lehnte die Krankengeldzahlung ab, da die Arbeitsunfähigkeit erst einen Tag nach der Entlassung des Klinikaufenthalts bestätigt wurde und damit eine Lücke im Nachweis vorhanden sei.Die Klage hatte Erfolg, denn die „arbeitsfähige“ Entlassung von der Klinik ist hier nicht maßgebend.Die Entlassung „arbeitsfähig“ erfolgte wegen der zwischenzeitlichen Arbeitslosigkeit mit Verweis auf leichte Tätigkeiten, die aber nicht maßgebend ist. Arbeitsunfähigkeit bestand während des gesamten streitigen Zeitraums, so das Gericht.
Die Klinik hat den Kläger irrtümlich „gesundgeschrieben“, da sie wegen der Arbeitslosigkeit eine unzutreffende Bezugstätigkeit zugrunde gelegt hat.Ein Anspruch auf Krankengeld bestand somit.